Das IBSV-Zimmer

Das Traditionszimmer des IBSV – Bericht von Hilke Müsse

Offiziell existiert das Iserlohner Schützenwesen seit 1705, als mit Friedrich, König von Preußen, per Schreiben vom 27. September 1705 den Bürgern der Stadt Iserlohn erlaubt wurde, die erste „privilegierte Compagnie“ zu errichten. Bis heute ist dies ein wichtiges Dokument für den IBSV und im Besonderen für die 1. Kompanie.

Selbstverständlich gab es bereits in den Jahrhunderten davor die Schützengilden und Schützenbruderschaften, deren vorrangige Aufgabe es war, die Bürger einer Stadt vor jeglichem Übel zu schützen. Alljährlich fanden entsprechende Schießwettbewerbe statt, an denen sich die besten Schützen beweisen konnten.

Wir Schützen leben noch heute eine Tradition, die sich über Jahrhunderte bis in die heutige Zeit beständig gehalten hat. Darauf können wir stolz sein.

Ich möchte in diesem Bericht keine historische Abhandlung des Schützenwesens im Allgemeinen und im Speziellen vornehmen, sondern über das neue, am 20. Mai 2017 eröffnete, Traditionszimmer des Iserlohner Bürger-Schützen-Vereins berichten.

Im Herbst 2015 erhielt ich einen Anruf von Renate Brunswicker. Sie ist nicht nur langjähriges Mitglied und Ehren-Hauptmann des IBSV, sondern auch Vorstandsvorsitzende des Förderkreises Iserlohner Museen, kurz FIM. Als ehemalige Königin des IBSV hatte sie die Idee, einen Besprechungsraum im Handwerks- und Postmuseum dem IBSV zur Verfügung zu stellen. Diese Idee verband sie mit dem Gedanken, dass in diesem Raum die „Schätze und historischen Werte des IBSV“ ausgestellt werden könnten, um sie so den Bürgern und der Schützen der Stadt Iserlohn zugänglich zu machen.

Nachdem der Vorstand des IBSV – damals durch den Oberst Hans-Dieter Petereit vertreten – mit dem FIM einig wurde, konnte die Arbeit beginnen. Auch da waren beide Vorstände einer Meinung und sprachen mich direkt an, ob ich mir vorstellen könne, die Einrichtung des IBSV-Zimmers zu übernehmen. Spontan sagte ich zu. Erst im Nachgang wurde mir klar, was ich da zugesagt hatte. Noch nie hatte ich einen „Museumsraum“ eingerichtet, noch nie hatte ich mich mit den „alten und historischen Werten“ des Vereins beschäftigt – und ich hatte keine Ahnung, wie und was da auf mich zukommen würde!

Nicht genug danken kann ich dem Archivar des IBSV und Oberstleutnant à la Suite Jochen Freiburg und dem Historienwart des IBSV Udo Wiedermann. Beide hielten diese Ausstellung für eine gute Sache und haben mich von Beginn an mit Informationen und „historischem Material“ unterstützt. Und eines musste ich feststellen, der Verein hat in der Tat viele historische Werte, die alle für sich genommen einen Ausstellungplatz verdient hätten.

Eine Eigenschaft hatte ich mir in der Zeit der Vorbereitung angewöhnt! Ich stöberte in Ecken, Schränken und Aktenordnern, um ggf. etwas Außergewöhnliches zu finden. Schmutzige Hände und Kleidung waren in dieser Zeit mein Freizeit-Outfit.

Und so fand ich – nichts von materiellem Wert, aber doch Interessantes: Im Fahnenzimmer lag eine alte Fahnenstange, die niemand mehr nutzte. Sie lag verkeilt an der Wand, halb versteckt hinter einem Schrank. Diese weckte mein Interesse. Ein Fahnennagel aus Messing war darauf angebracht. Leider verschmutzt und angelaufen. Ich nahm alles mit nach Hause – mein Mann Wolfgang schüttelte nur den Kopf, weil ich wieder so einen „alten Kram“ anschleppte. Mit Messingreiniger und Poliertuch reinigte ich das Schildchen, so dass die Inschrift sichtbar wurde:

Zum Andenken an 1871
gewidmet von
Frau Herm. Herbers
Margarethe geb. Romberg

 

Margarete Herbers stiftete in ihrem ersten Königinnenjahr 1871 / 1872 eine Bataillonsfahne, zu welcher der von mir gefundene Fahnennagel gehört. In der Festzeitschrift 200 Jahre IBSV wird diese Fahne als außergewöhnlich prachtvoll beschrieben. Zitat aus der Jubiläumsfestschrift: „ … schenkt Frau Kommerzienrat Herm. Herbers eine kostbare Fahne. Sie ist aus schwerer Seide angefertigt und an der einen Seite durch kunstvolle Stickerei geschmückt mit dem Wappen unserer Stadt und dem Wahlspruch des Vereins.“

In ihrer zweiten Amtszeit 1886 bis 1889 stiftete sie dem IBSV die „alte“ Königinnenkrone, die neben der „alten Königskette“  ein wertvolles Ausstellungsstück des Zimmers ist. Betrachtet man die Königskette, die Krone und darüber hinaus die silbernen Pokale und Gefäße, so wird deutlich, welche gesellschaftliche Bedeutung der Verein in dem 19. Jahrhundert hatte. Wirklich beeindruckend!

Zurück zu der Suche nach geeignetem „Material“: Neben dem Archivkeller in Jochens Haus gibt es noch den Fundus-Raum und zwei Aktenschränke im Fahnenzimmer unterhalb des Parktheaters. Überall fand ich potentielles Ausstellungsmaterial! Irgendwann war das Maß voll und ich wusste nicht mehr, was für das Zimmer geeignet ist und was nicht. Es gibt leider keinen „unbegrenzten Raum“ und das machte es umso schwieriger, die richtige Auswahl zu treffen. Es trat bei mir der „Wald-Bäume-Effekt“ ein!

Mehrere Skizzen und Aufstellungspläne der möglichen Gegenstände und Unterlagen erstellte ich, verwarf sie und formulierte neu. Gespräche mit Rolf Klostermann, dem Kreisheimatpfleger, waren sehr aufschlussreich und führten zum Ziel. So langsam kristallisierten sich die Werte heraus, die bei begrenztem Raum ihren Platz im Museum erhalten sollten. Die erste Hürde war genommen.

Nun begann der kreative Teil. WIE stellt man diese Werte aus oder besser, WIE präsentiert man diese Werte, so dass der Betrachter sie ausreichend sehen kann und die Bedeutung für den Verein versteht. Hier gilt mein herzlicher Dank Jürgen Hoffmann, der in dem Museum alle handwerklichen Arbeiten übernimmt und mir immer Mut zu sprach, wenn etwas zu verzwickt wirkte. Der Gedankenaustausch mit ihm war immer von hoher Kreativität geprägt. Vor allem hat Jürgen alle meine Anforderungen an die Präsentation der Preziosen und weiteren Werte handwerklich sehr gut umgesetzt. Eines muss beachtet werden: das Gebäude ist ein altes Fachwerkhaus und da weiß jeder, dass nichts gerade ist und nur ganz bestimmte Bereiche zur Befestigung genutzt werden können – diesbezüglich ist Jürgen Hoffmann ein Fachmann und kennt „seine Wände“ sehr genau!

Bleiben wir bei dem kreativen bzw. dekorativen Teil dieser Aufgabe! Wochenlang habe ich mich mit der Frage beschäftigt, wie die alte Königskette so ansprechend ausgestellt werden kann, dass sie in voller Pracht erscheint.  Die Schwierigkeit bestand darin, die über 150 sehr schönen Orden und die ca. 3 kg Gewicht sicher, stabil und ansprechend herauszustellen.

Irgendwann wachte ich morgens auf und mir war schlagartig klar, dass es nur so gehen kann:

 

Jürgen und ich „köpften“ eine Schaufensterpuppe, nahmen Arme und Beine ab und kleideten sie in grünem Samt. Voilà – so ist es perfekt!

Selbstverständlich gab es noch weitere Werte, die dekorativ präsentiert werden mussten. Ich möchte sie hier nicht alle aufzählen, denn das kann man sich viel besser persönlich bei einem Besuch im Traditionszimmer anschauen. Nur eine kurze Randnotiz sei mir erlaubt: ich bin mit wachsamen Augen durch alle möglichen Möbel- und Deko-Geschäfte und Museen gelaufen, habe mit dem Handy fotografiert, was mir als Deko-Material geeignet schien. Besonders oft war ich bei NANU NANA – dort fand ich neben tiefen Bilderrahmen auch die kleinen Stellagen, die wunderbar zur Darstellung der Orden geeignet sind.

Oft saß ich bis tief in die Nacht im Museum und habe ausprobiert, neu dekoriert, umgeräumt und gebastelt! Bei der offiziellen Eröffnung des Zimmers erzählte unser Oberst Wolfgang Barabo, dass er mich des Öfteren nachts mit einer Krone auf dem Haupt durchs Museum hätte schweben sehen… – nein! – ich kann Euch beruhigen, soweit war und ist es noch nicht.

Nachdem die Ausstattung des Raumes so langsam Formen annahm, brachte mich Jürgen Hoffmann mal wieder auf eine gute Idee – zur Eröffnung wäre es schön, wenn ein Königspaar die Besucher begrüßen würde. Nun sollte es aber nicht das amtierende Königspaar sein, sondern ein Paar, welches in ein Museum gehört. Also mussten eine „alte“ Uniform und ein „altes“ Kleid her. Renate bot sofort ihr Königinnenkleid an, welches sie 1974/75 getragen hat. Eine alte Uniformjacke fand sich im Fundus, sowie eine alte Mütze im Fahnenzimmer (…Lothar Klein steht in der Mütze!).

Leider können keine Fahnen ausgestellt werden, da der Raum zu klein ist und die historischen Fahnen einen entsprechend klimatisierten Raum benötigen. Der IBSV hat auch bei den Fahnen einige wirkliche Schätze. Über den Zustand zweier Fahnen bin ich sehr betrübt. Die Jahre haben im wahrsten Sinne an dem Gewebe genagt und dazu geführt, dass man kaum noch etwas erkennen kann. Die jahrelange nicht sachgerechte Lagerung, bevor es das klimatisierte Fahnenzimmer gab, hat doch großen Schaden angerichtet. Schade, eine Restauration ist sehr teuer, soll aber wohl noch möglich sein. Vielleicht finden sich ein paar traditionsbewusste Schützen, die eine Restauration finanzieren möchten!

Zum Schluß möchte ich auf ein paar sehr interessante Exponate im Traditionszimmer aufmerksam machen.

Friedrich Wilhelm Kronprinz von Preußen hat Iserlohn 1836 besucht und als Andenken dem Iserlohner Bürger-Schützen-Verein einen silbernen Pokal überreicht. Näheres dazu ist leider nicht bekannt. Man sieht, welche Bedeutung Iserlohn und seine Schützen zu der Zeit hatte.

Alexander Löbbecke selbst hat im Jahre 1862, seinem Königsjahr, einen Pokal gestiftet, der selbstverständlich auch in der Vitrine zu sehen ist. Die Inschrift lautet:

Dem verehrlichen Bürgerschützen Infanterie Corps
in herzlicher Liebe
dediziert von Alex. Löbbecke
zeitiger Oberst

In der Zeit, als Alexander Löbbecke Oberst des IBSV war, hat es einige Veränderungen im Verein gegeben, die sich bis heute auswirken. Zunächst wurden die einzelnen Kompanien, die zwar mit Beginn des Jahrhunderts ihre Feste zusammen feierten, zu einem Bataillon zusammengefasst und letztlich auch zu einem Verein zusammengeführt. Davor feierte jede Kompanie für sich. Der Name „Iserlohner Bürger-Schützen-Verein“ stammt aus dieser Zeit. Eine weitere Maßnahme, war der Kauf des Ackenbrock, der in den Jahren danach zur Alexanderhöhe umbenannt wurde, denn Alexander Löbbecke war der Initiator dieser des Vereins und Iserlohns prägenden Maßnahme. Immerhin werden noch heute die Schützenfeste auf der „Höhe“ gefeiert. Leider sind die Alte Halle und die Neue Halle schon seit geraumer Zeit nur noch auf Bildern zu bewundern. Man beachte, dass die erste Halle 1863 eingeweiht wurde – also vor 155 Jahren. Und nun geht die dritte Generation einer Schützenhalle auf der Alexanderhöhe zu Ende. Ob es eine neue Halle für das 21. Jahrhundert geben wird, bleibt abzuwarten.

Ein sehr auffälliger Gegenstand in unserem Zimmer ist ein (ver)-silbertes Bowlengefäß.

Dieser Topf ist in einem für heutige Verhältnisse eher geschmacklosen Stil gefertigt, entspricht aber der damaligen Zeit. Er zeigt als „Henkel“ rechts und links zwei nackte Frauen, die üppige Blumengestecke tragen. Das war zu der damaligen Zeit – 1903 – offensichtlich State of the Art …. Interessant ist daran, dass dieser Bowlentopf ein Geschenk des Kaufmanns Strobl aus Kiew ist, der zu einem Schützenfest nach Iserlohn eingeladen wurde, welches ihm so sehr gefallen hat, dass er im Nachgang dieses Bowlengefäß dem Verein schenkte! Der IBSV war offensichtlich auch noch zu der Zeit „in aller Welt“ bekannt. 100 Jahre zuvor war ja, wie vorab erwähnt bereits der Kronprinz in Iserlohn.

Die offizielle Eröffnung des Museums-Zimmers fand am 20. Mai 2017 statt. Seit diesem Tag treffen immer wieder Besucher im Museum ein und wollen die IBSV Ausstellung betrachten. Wer Interesse hat, kann sich gern auch an mich wenden. Mit Freude schließe ich die Räumlichkeit auch außerhalb der geregelten Öffnungszeiten auf und biete genügend Zeit, sich die Gegenstände in aller Ruhe anzuschauen.

Eine ganz besondere Ehre habe ich durch unseren Ehrenoberst Ernst Dossmann erfahren dürfen. Am Ende seines Besuches trug er in das Gästebuch folgende Worte ein:

„Begeistert und voller Dankbarkeit durften wir heute am 22. Juli 2017 unter Führung der Schützenkönigin des IBSV aus dem Jahre 20113/14, Frau Hilke Müsse das wunderbar gestaltete Traditionszimmer unseres altehrwürdigen Iserlohner Bürger-Schützen-Vereins bestaunen…“

Und seitdem hat dieser Ausstellungsraum im Handwerks- und Postmuseum in Iserlohn seinen treffenden Namen erhalten:

Das Traditionszimmer des IBSV

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